Cocktailforum

29. Juli 2016, 17:19
rrr
3970 Beiträge

Meine Bitters-Werkstatt 4. Teil

Geschüttelt, nicht gerührt, so wollen Mazerate behandelt werden. Unterschiedliche Vorgehensweisen stellen sich im Internet vor. Die Einen wissen Es lieber auf der Fensterbank im Sonnenlicht, die Anderen bevorzugen dunkle Räume. Auch unterschiedliche Beschreibungen der Mazerationszeit, von 14 Tagen bis 6 Wochen ist alles vertreten. Den goldenen Mittelweg nutzte ich, d. h. Im Dunkeln und 25 Tage Mazeration unter täglichem Schütteln bei 18° Raumtemperatur. Dieses keine gesicherte Erkenntnis der besten Vorgehensweise, lediglich ein Bauchgefühl.

Es ist soweit, zum ersten Mal werden die Gläser geöffnet und ich kann schnüffeln. Das Mazerat wird durch einen normalen Kaffeefilter gegossen in ein jeweils eigenes, wiederum verschließbares Gefäß. Kaufte mir für diesen Prozess einen neuen Filteraufsatz. Die Gebrauchten riechen, so bilde ich mir ein, trotz mehrfachen Spülens immer nach Kaffee. Das wäre nur praktisch, wenn man einen Kaffee-Bitter herstellen möchte.... (ha, gibt es, glaube ich, auch noch nicht). Also filtern unter gleichzeitigem Wiegen wie viel von der Essenz übrig bleibt. Klar, die Pflanzenteile und Filtertüten mögen Alkohol, behalten einen großen Anteil für sich. Fast so wie angels` share bei der Whiskyherstellung. Werte wieder in die Tabelle übernehmen. Manche bauen nun ihren Bitter. Allerdings setzen sich nach einer gewissen Zeit Schwebstoffe auf den Grund der Gefäße. Deswegen warte ich noch zehn Tage und werde so die Essenzen absaugen. Übrig bleibt nochmal ein Anteil für die Engel.

Endlich kann es ans Komponieren gehen. Vor einiger Zeit bestellte ich mir Pipetten mit Skala von 3 ml Volumen. Gibt auch andere Größen, doch dafür sind genügend Meßgeräte vorhanden. Diese kommen zum Einsatz. Passt auf beim Kauf solcher Pipetten. Die Preise der kleinen Kunststoffteile schwanken gewaltig von Anbieter zu Anbieter. Also, die gedachte Komposition in kleinster Menge zusammenstellen. Werte in die Tabelle! Meine Testweise, einen Tropfen hiervon auf die saubere, nicht mit Seife gewaschene Fingerkuppe, schmecken. Die übrige Mixtur mit gleicher Menge Wasser vermengen, riechen, probieren.

Ein Bitter in der Purverkostung gestaltet sich etwas schwierig. Heißt ja nicht umsonst Bitter. Finde aber, dieser Schritt ist unumgänglich. Weil der Geschmack lange haften bleibt, erfolgt der nachgeordnete Test erst ein, zwei Stunden später mit Wasser und Brot als Zwischenschritt. Also, auf ein Neues, Zusammenstellung ändern! Glaubt nicht, ihr hättet zu Anfang schon die Idealmixtur. Das wäre reiner Zufall. So taste ich mich Stück für Stück an den Geschmack, den ich mir vorstelle. Jeden Schritt in die Tabelle übernehmen, sagte ich wohl schon. Irgendwann tritt keine Besserung mehr ein.

An diesem Punkt angelangt, alle Mazerate in der als treffend erachteten Konzentration zusammenfügen. Jetzt bereichern andere Komponenten den Geschmack. Die verrate ich euch das nächste Mal.


oben
30. Juli 2016, 13:51
rrr
3970 Beiträge

Die Ausgangsbasis



Vier Extrakte mit Meßgeschirr. Das Hantieren mit den Pipetten gestaltet sich sehr genau. Auch Zwischenwerte sind absaugbar.


oben
30. Juli 2016, 15:28
Fabiene_Boilley
3500 Beiträge

Teufelskraut und Engel - da setzt du für deine Bitters ja Himmel und Hölle in Bewegung.Lol

Sieht wirklich sehr professionell aus, was du da machst. Die Leute von "The Bitter Truth" können sich schon mal warm anziehen.Grins
30. Juli 2016, 21:12
SchuettelStefan
19717 Beiträge

Wir können ja die tollen neuen Bitters mit der Tequilalieferung eines anderen CS-Members kombinieren und die eine oder andere neue Rezeptur dabei auftun. Grins
31. Juli 2016, 02:02
Fabiene_Boilley
3500 Beiträge

Sehr gerne, rrr muss mir nur seine Proben schicken und ich schaue dann mal, was man damit so alles anstellen kann.AetschGelageTroest
31. Juli 2016, 12:47
Orca
9086 Beiträge

Ich stelle mich auch gerne als Bitter-Tester zu VerfügungSuper
Sollen wir eine Liste machen rrrr?

Wink
01. August 2016, 10:58
rrr
3970 Beiträge

01. September 2016, 02:00
Fabiene_Boilley
3500 Beiträge

Gerade drauf gestoßen: Von TBT gibt es jetzt neben dem klassischen Traveler's Set ein zweites Set mit Miniaturen. Wobei ich noch keine Idee habe, wo man den Olive Bitters einsetzen könnte.Verwirrt
01. September 2016, 16:25
SchuettelStefan
19717 Beiträge

Im Martini.
01. September 2016, 22:52
Fabiene_Boilley
3500 Beiträge

Stimmt, der würde sich natürlich anbieten. Ich bin wohl noch im Urlaubsmodus, brauche etwas länger.SchaemZwinker
02. September 2016, 00:58
SchuettelStefan
19717 Beiträge

Dafür haben wir ja das kollektive Nachdenken. Grins
06. August 2017, 10:30
rrr
3970 Beiträge

Meine Bitters-Werkstatt 5. Teil

Grins Meine Tinkturen lagerten nun ein knappes Jahr. Denke, es ist genug Zeit. Damals erwähnte ich, daß andere Komponenten die Bitters vollenden könnten. Dabei sehr hilfreich sind allgemeine Gewürze, welche man im Haushalt hortet, um den Bitter zu vollenden. Bevorzugte hier Komponenten wie Sternanis, Kardamom, Kurkuma u. A.. Auch scharfe Töne sollten nicht fehlen. Diese wiederum in die zusammengestellte Mixtur einlegen. Der Geschmacksgewinn mit den Gewürzen, mir durch Kochen wohl bekannt. Aus diesem Grund spare ich mir vorausgehend testende Zwischenschritte. Gleicher Prozess wie zuvor. Schütteln, warten, filtern....

Man hätte die Gewürze auch zum Anfang mit einlegen können. Da war mir aber noch nicht bewusst, wie intensiv der jeweilige Geschmack mit den Kräutern und Wurzeln wird. Es kann zu diesem Zeitpunkt viel besser reguliert werden. Übrigens, die Welt der Gewürze würde mehrere Kapitel füllen, deshalb gehe ich nicht näher darauf ein. Nur soviel, für die Bitter-Würzung eignen sich lediglich ungemahlene Gewürze. Logisch, sonst wäre die schöne Mixtur gleich wieder getrübt, außerdem besitzen sie viel mehr Würzkraft und obendrein länger haltbar. Damit der Mazerationsprozess etwas schneller vonstatten geht, bevorzuge ich die Körner usw. in einer Pfanne kurz zu erhitzen. Das läßt die ätherischen Öle an die Oberfläche treten, stehen somit schneller zur Verfügung. Ebenfalls durchaus geeignet sind Früchte, die ihr Aroma abgeben. Es ist immer eine Frage, welchen Geschmack man erzielen möchte. Zum Schluß mit Rohrzucker-Sirup, Ahorn-Sirup o. ä. und evtl. Wasser Süße und Alkoholgehalt trimmen.

Im Idealfall erhält man so den Bitter, den man sich vorstellt. Wenn trotz aller Mühe das Vermengte einem nicht gefällt, helfen evtl. andere Pflanzenteile mit ähnlichen Eigenschaften. Vielleicht sogar schon ein anderes Mengenverhältnis bei den Ansätzen. Die „Würzung“ funktionierte. Das war es nun, oder that´s it wie es auf neudeutsch heißt. Eine gewisse Zeit der Lagerung konnte folgen. Schätze mal, nach einem Jahr ist mein Bitter perfekt. Perfekt zumindest für mich. Das i-Tüpfelchen, ein Mini-Holzfass und man könnte seine Komposition darin reifen lassen. Aber das sind halt nur Träume......

Konnte natürlich nicht abwarten und probierte die Komposition in einem Turf. Mein Bitter ist gut, wie er ist. Etwas mehr Frische war der Wunsch, werde ihn wohl draußen an die frische Luft stellen. Zwinker Nein, für den ersten Versuch ist er toll geworden. Er hat geschmackliche Tiefe und wird meinen Drinks bestimmt den Kick verleihen, den ich mir wünschte. Durch die ihm zugeteilte Ruhe konnte er nur noch gewinnen. Seltsamerweise ist das Erlebnis eines Bitters eigener Herstellung in einem Cocktail ein intensiveres als bei Gekauften.

Ach so, ihr werdet es nicht glauben, alles fing im Urlaub im Klimbimladen mit einem Fläschchen an, das 0,45 € kosten sollte. Da konnte ich nicht vorbeigehen, erstand 2 Flaschen, sie sind prädestiniert Bitters aufzunehmen. Was blieb anderes übrig, als mit der Bitterherstellung zu beginnen. Bei euren Versuchen wünsche ich viel Spaß und gutes Gelingen. Berichtet doch hier, wie es Euch dabei ergeht.

Wenn ihr meine Exkursion ins Reich der bitteren Kräuter noch einmal nachlesen wollt, hier ist der Beginn.


oben
06. August 2017, 10:55
rrr
3970 Beiträge



Mein erster, selbst gefertigter Bitter. Grins


oben
17. August 2017, 12:28
rrr
3970 Beiträge

Meine Bitters-Werkstatt 6. Teil

Fabiene stellte sich vor einiger Zeit einen Kirsch-Vanille-Bitter auf Rye-Basis zusammen. Das Rezept, so denke ich, könnte dieses sein:

1 Flasche Rye-Whiskey
6 Vanille-Stangen
½ Tasse getrocknete Kirschen
1 Stange Zitronengras
2 Sternanis
2 Bl Anissaat
1 Nelke
1 Wacholderbeere

Eine Abwandlung dieses Rezeptes, etwas aufwendiger, mit frischen Kirschen dafür viel weniger Vanille. Der Vorteil, man benutzt die leckeren Kirschen anschließend als Dekoration für den Cocktail:

1 ½ Tasse frische Kirschen
1 Tasse 75% neutraler Alkohol
1 Sternanis, gestoßen
1 Bl Fenchelsaat
1 El gehacktes Zitronengras
2 ausgelöste Kardamomkapseln
1 Vanilleschote
1 Bl Enzianwurzel
1 Bl Bitterholz oder Quassia amara
1 Tasse Rye-Whiskey

Die Kirschen mit ½ Tasse Alkohol in ein ausreichend großes Gefäß füllen. Ausreichend, weil später die Einzelkomponenten hier zugefügt werden.
Sternanis, Fenchel, Zitronengras, Kardamom, Vanille in ein separates Glas mit der übrigen Hälfte Alkohol.
Enzianwurzel und Bitterholz mit dem Rye-Whiskey in ein drittes Gefäß.
Alles gut durchmengen und für 10 Tage unter täglichem Schütteln an einem dunklen Ort bei mittlerer Zimmertemperatur verwahren.
Hiernach erst durch ein feines Sieb, anschließend einem Kaffeefilter alle Komponenten zu den Kirschen zusammenfügen. Weitere 11 Tage unter täglichem Schütteln reifen lassen.
Anschließend Kirschen im Sieb auffangen und wiederholt durch ein Kaffeefilter abseihen. In Bitterflaschen abfüllen. Lecker!


oben
17. August 2017, 18:24
Fabiene_Boilley
3500 Beiträge

Das Rezept hört sich nicht schlecht an. Ist auch eine gute Idee, mal wieder Cocktailkirschen anzusetzen. Grins